Dienstag, 10. Dezember 2013

Foodwatch kritisiert KMK-Beschluss

23.09.2013 - (dpa) – Kinder und Jugendliche sollen künftig in der Schule verstärkt zu kompetenten Verbrauchern ausgebildet werden. Dazu sollen sie sich während der gesamten Schulzeit intensiv mit Fragen der Verbraucherbildung befassen, die aber kein eigenes Fach, sondern in eines oder mehrere Unterrichtsfächer integriert werden soll. Das beschlossen die Kultusminister der Länder einer Mitteilung vom 12. September zufolge.
Unternehmen werden darin ausdrücklich als mögliche Partner genannt. Es sei aber darauf zu achten, dass die Verbraucherbildung an den Schulen "frei von wirtschaftlichen Interessen ist und unternehmensunabhängig den Erwerb der Kompetenzen ermöglicht", die für kritisch reflektierte Kaufentscheidungen erforderlich seien, heißt es in dem Beschluss.
Scharfe Kritik an dem Beschluss äußerte die Verbraucherorganisation Foodwatch. Die Kultusminister öffneten damit Wirtschaftslobbyisten und Unternehmen die Türen der Klassenzimmer, erklärte Foodwatch am 19. September. Die Organisation forderte die Kultusministerkonferenz (KMK) auf, den Beschluss zurückzunehmen und klarzustellen, dass Unternehmen keine geeigneten Partner für Verbraucher- und Ernährungsbildung an Schulen seien. Werbung und Sponsoring an Schulen müsse grundsätzlich untersagt werden, verlangte Anne Markwardt von Foodwatch. Es sei Auf- gabe der Schulbürokratie, die Lehrkräfte weiterzubilden und neutrales Unterrichtsmaterial zur Verfügung zu stellen.

Firmen als Partner und zugleich unternehmensunabhängig?

Nach dem KMK-Papier kann die Verbraucherbildung in Zusammenarbeit mit außerschulischen Partnern erfolgen, wie öffentlichen Einrichtungen, Hochschulen, Verbraucherzentralen, Verbänden oder eben auch Unternehmen. "Das Gebot der Neutralität ist zu beachten", heißt es dazu. "Zu Themen der Verbraucherbildung werden an die Schulen vielfältige Angebote herangetragen", stellen die Kultusminister fest. "Wichtig für die Nutzung dieser außerschulischen Angebote durch die Schulen bzw. Lehrkräfte ist, dass sich diese inhaltlich am schulischen Bildungs- und Erziehungsauftrag orientieren, den Gegebenheiten der einzelnen Schule gerecht werden und damit die Schulqualität fördern."
Die Formulierung der Kultusminister von "unternehmensunabhängigen" Unterricht nannte Markwardt scheinheilig. So lange Unternehmen als "Partner" aufträten und akzeptiert würden, könne Verbraucherbildung nie "unternehmensunabhängig" sein. Markwardt kritisierte auch das vom Land Nordrhein-Westfalen und der Wirtschaft finanzierte Portal "Partner für Schule NRW", womit die "dauerhafte und systematische Zusammenarbeit von Schule und Wirtschaft" gefördert werden solle. Markwardt: "Unternehmen, die Bildung finanzieren, wollen dafür eine Gegenleistung. Entweder ist das die Möglichkeit "zielgruppenadäquater" Werbung im Klassenraum. Oder aber es sind politische Gefallen, namentlich weniger Regulierung...."
Die Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft (GEW) und der Deutsche Gewerkschaftsbund (DGB) fordern seit Längerem eine umfassende sozioökonomische Bildung an den Schulen. Sie kritisierten aber kürzlich ähnlich wie Foodwatch, dass es zunehmend Versuche seitens der Wirtschaft und der Arbeitgeber gebe, "den Bildungsauftrag von Schule und die Vor- stellungen junger Menschen von der Wirtschaftswelt interessengeleitet in eine Richtung zu lenken".
Die Gewerkschaften sprachen sich deshalb gegen ein "Fach Wirtschaft" aus und befürworteten, eine sozioökonomische Bildung mit den Inhalten anderer Fächer zu verzahnen. Sie warnten auch vor einer wachsenden Bereitstellung von Unterrichtsmaterialien von privater Seite. Die GEW forderte daher eine öffentlich kontrollierte Prüfstelle für private Unterrichtsmaterialien, um "Lobbyismus an den Schulen" einzudämmen.
Laut KMK-Beschluss sollen sich die Lehrer in Aus- und Fortbildung fachlich und didaktisch verstärkt mit Themenfeldern der Verbraucherbildung befassen. Dazu zählen laut Mitteilung unter anderem der bewusste Umgang mit Geld, Werbung und Konsum, gesunde Lebensführung, die Vermeidung von Lebensmittelverschwendung, Mediennutzung und Datenschutz sowie der Komplex des nachhaltigen Konsums mit Aspekten wie fairer Handel und Klima, Energie und Ressourcen. Generell solle die Verbraucherbildung die Gestaltungskompetenz der Kinder und Jugendlichen als Konsumenten stärken.

Stoch: Verbraucherbildung soll in Bildungsplan

Das Thema Nachhaltigkeit soll Ende September in Deutschland mehr Aufmerksamkeit erhalten. Zum 6. Mal ruft die Deutsche Unesco-Kommission die bundesweiten Aktionstage der UN-Dekade "Bildung für nachhaltige Entwicklung" aus. Vom 20. bis 29. September informieren mehr als 100 Organisationen, Bildungsträger, Schulen und Unternehmen darüber, wie Kinder und Erwachsene nachhaltiges Denken und Handeln lernen können.
Das Thema Verbraucherbildung soll als fächerübergreifendes Leitprinzip im neuen baden-württembergischen Bildungsplan festgelegt werden. "Es ist damit für alle Fächer und Klassenstufen verbindlich im neuen Bildungsplan der allgemeinbildenden Schulen zu berücksichtigen", kündigte Kultusminister Andreas Stoch (SPD) in einer Antwort auf eine CDU-Landtagsanfrage Mitte September an. Er gab auch den Fahrplan für die neuen Bildungspläne bekannt: Zum Schuljahr 2015/2016 soll der Plan in den Klassen 1 und 2 sowie in den Klassenstufen 5 und 6 der Werkrealschulen/Hauptschulen, Realschulen und Gemeinschaftsschulen eingeführt werden. Zum Schuljahr 2016/2017 sollen dann die Klassen 5 und 6 der Gymnasien folgen.
Ursula Mommsen-Henneberger (dpa-Dossier Bildung Forschung Nr. 39/2013, 23. September 2013)

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