Mittwoch, 5. Dezember 2012

Von dem Individuellen zur anonymen Masse

Was mir seit einigen Tagen im Kopf herumschwirrte: Das Kleinkind in der Familie, zumal es noch Einzelkind oder das erste Kind ist, bekommt die volle Aufmerksamkeit der Eltern. So ist es vollkommen individualisiert. Bei der Geburt des zweiten Kindes oder ändert sich das. Die Individualisierung wird zugunsten einer Aufmerksamkeit zurückgedrängt, die sich nun auf zwei Kinder verteilt. Die anfänglich extreme Individualisierung geht zurück.
Im Laufe der Entwicklung einer normalen Biographie wird die Einzigartigkeit des Kindes immer stärker in Frage gestellt und zum Teil bewusst negiert. So ist die Kindergartengruppe und später die Klasse ein Ort, in dem die Anonymisierung weiter vorangetrieben wird. Später, beim Eintritt in das Berufsleben, bleibt nur noch eine Steuernummer übrig. Aufgelöst in der Masse. Ehrlicherweise muss man sagen, dass in Deutschland dieser Schritt schon bei der ersten Anmeldung bei der Stadt des Neugeborenen vollzogen wird: Dem Kinde wird nach einigen Tagen eine lebenslange Steuernummer zugewiesen...
Was hat dies mit Schule zu tun? Ich glaube, dass die höheren Jahrgänge, ab der 7. oder 8. Klasse bis zur 10. Klasse, schwerer zu begeistern sind, schwieriger zu motivieren sind, da ihnen das System Schule in der Sekundarstufe ab dem 5. Jahrgang immer deutlicher macht, dass sie nur ein Teil der Masse sind. Das sie austauschbar sind. Diese Anonymisierung wird, wenn auch nicht bewusst so benannt oder erlebt, auf die Kosten der individualisierten Lernprozesse.
Die ganz bewusste Individualisierung der Jugendlichen durch Musik, Kleidung, usw. ist ein Ausdruck von dem Verlust der systemischen Individualisierung. Man strebt danach etwas besonders zu sein, etwas besonders zu haben. Vielleicht sind Jugendliche, die nicht dieses unbedingte Streben nach äußerer Individualisierung haben, sich ihrer inneren Individualisierung sicherer.

Noch nicht zu Ende von mir gedacht, aber bevor ich den Ansatz wieder verliere, archiviere ich ihn...

Sonntag, 2. Dezember 2012

Metaphern - mehr als ein Thema im Deutschunterricht

Beim Lesen des sehr informativen Artikels auf der Zeit, der sich mit Sprache und deren Auswirkung auf uns und unser Denken beschäftigt, kamen mir natürlich auch Gedanken zu dem Lernen an sich. Besonders die folgenden beiden Absätze erscheinen mir wichtig für unser tägliches Handeln:
Lakoff ist überzeugt: »Wir reden nicht nur in Metaphern, wir denken in Metaphern.« Seine Grundannahme besteht darin, dass Metaphern aus direkten, körperlichen Erfahrungen entstanden sind. Zum Beispiel ist Zuneigung Wärme und umgekehrt: Da ist jemand warmherzig, ein anderer zeigt eher die kalte Schulter. Man kann sich für jemanden erwärmen, und Beziehungen können auch erkalten. »Wenn wir als Kinder von unseren Eltern im Arm gehalten werden, dann spüren wir Wärme. Und gleichzeitig spüren wir Zuneigung. So lernen wir die Verbindung zwischen beiden«, erklärt Lakoff.
Das könnte eine anschauliche Erklärung dafür sein, wie Kinder lernen, über abstrakte Konzepte nachzudenken. Es könnte auch erklären, wie Schüler und Erwachsene komplizierte Sachverhalte erfassen. Tatsächlich zeigt die Lernforschung, dass Metaphern und Analogien es leichter machen, sich neues Wissen anzueignen. Glaubt man Lakoff, sind Analogien wie »Ein Atom ist aufgebaut wie ein Sonnensystem« oder »Ein Antikörper funktioniert wie ein Schlüssel für ein Schloss« nicht bloß pädagogische Hilfsmittel, sondern der Grundmechanismus, mit dem wir schwer zugängliche Konzepte überhaupt erst verstehen – Analogien und Metaphern als unser wichtigstes Denkwerkzeug.
Vivien steuerte auch nach meinem Nachfragen ("Sag mal: ist eine Metapher eine verbalisierte Visualisierung?" - was sich ja ziemlich gut anhört, wie ich finde!) auch gleich eine richtige Definition von Metapher bei:
Ja, eine übertragene bildliche Darstellung, wo Bedeutungen einer anderen Sache auf eine andere übertragen wird, z.B. laufende Nase oder der krähende Mensch
Bisher habe ich die Visualisierungen im Unterricht immer eher wie von Brüning und Saum in ihrem Standardwerk "Erfolgreich unterrichten durch Visualiseren" verwendet. Also eine grafische Umsetzung eines Textes - gerne auch mittels einer concept map. Aber nun sollte ich mir mal überlegen, wie eine Schüleraktivität aussehen könnte, die einen Text in eine Metapher umsetzt. Es gibt gerade in der Biologie ja Beispiele, wo die SuS ihr Wissen auf eine andere, symbolische Ebene heben sollen (z.B. Enzymaktivität und -regulation als Bahnhofsvorhalle etc.). Aber das die SuS selber direkt von dem Text in eine andere Ebene kommen? Das ist wohl auch ziemlich schwer. Aber wir sind ja auch nicht auf dem Ponyhof hier!