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Donnerstag, 1. Dezember 2011

Evaluation von Offenen Unterricht


Falko Peschel geht in seinem Buch „Offener Unterricht“ (Baltmannsweiler, 5. Auflage, 2009 - S. 215 bis 235) auch auf die Problemtatik der Evaluation und Implementation von Offenen Unterricht ein.
Seiner Ansicht nach, „verdient fast alles, was in der Schule als 'offener Unterricht' gehandelt wird, dieses Etikett gar nicht.“ Also kann auch keiner die Leistungsfähigkeit, die Effizienz der Metode evaluieren. Die stundenweise Öffnung von Unterricht genügt nicht den Ansprüchen eines Offenen Unterrichts und kann ebenfalls nicht als Referenz herangezogen werden. In seinem Buch will Peschel zeigen, dass „bisland noch keinerlei aussagekräftige Evaluation offenen Unterrichts gegeben hat und selbst die wenigen ernst zu nehmenden Studien nur sehr begrenzt Schlüssel zulassen“.
Die bisherigen Untersuchungen zielen vor allem auf einen kognitiven Lernzuwachs hin und nicht so sehr auf soziale und Persönlichkeitsentwicklung. Wenn ich also das falsche Maßstab nehme, dann kann ich nur zu uneinheitlichen Ergebnissen kommen. Die alte Problematik der Birnen und Äpfel.
Peschel kommt wiederholt zu dem Schluß, dass es keine oder fast keine Freiarbeit gibt: „Im Grunde existiert Freie Arbeit als durchgehendes Konzept auch in 'Freiarbeitsklassen' also gar nicht.“
Er selbst hat aufgrund von verschiedenen Evaluationsinstrumenten, die eher einen Kompetenzzuwachs als einen kognitiven Lernzuwachs messen, in seinen Klassen die Möglichkeit zu sehen, dass „in der Regel höhere Fachleistungen messbar“ sein könnten. Die größere Selbstständigkeit, Sozialkompetenz und allgemeine Reife der Kinder, die in seinem Offenen Unterricht kennengelernt haben, könne man „nur vor Ort in der Klasse spüren“.
Auch bei Schülerbefragungen sticht das Argument, dass die befragten Schüler noch keinen Offenen Unterricht selber in der Reinform erlebt haben – und deswegen auch nicht Stellung dazu nehmen können. Bei Einzeldarstellungen, z.B. von Olivier Keller (1999 - „Denn mein Leben ist lernen“) wird ein fast romantischer Kindheitsbegriff zur Allgemeingültigkeit erhoben, in dem die Abwesenheit von Schule als lernförderlich gesehen wird. Es gibt auch genügend Kinder in Deutschland, die sich der Schulpflicht entziehen und sie werden in der Mehrzahl nicht tolle Persönlichkeiten, die in vielen Bereichen Kompetenzen entwickeln.
Peschel sagt, dass, nach seiner Meinung und nach seinen eigenen Beobachtungen, ein klaren methodischen Vorteil des Offenen Unterrichts erkennbar sein kann. Und weiter heißt es: „Bevor diese Annahme bestätigt werden kann, muss aber einmal der Anteil an Offenen Unterricht in unseren Schulen so vergößert werden, dass die Relevanz und Effektivität dieses Unterrichts durch qualitative und quantitative Verfahren bewiesen werden kann.“ Also bevor man empirische Ergebnisse hat, sollte man den Offenen Unterricht flächendeckend einführen und die positiven Erfahrungen führen dazu, dass auch die Kritiker des Offenen Unterrichts irgenwann überzeugt werden - „wenn dies ihr Menschenbild zulässt“

Montag, 28. November 2011

Offener Unterricht: Am Anfang oder am Ende ?

Plädoyer für ein Überdenken "freier Arbeitsformen"

Falko Peschel

Schule im 21. Jahrhundert - Schule im Umbruch?

Schon seit dem Erscheinen der letzten Richtlinien für die Grundschule Mitte der achtziger Jahre ist die Reform der Grundschule legitimiert, Lehrer und Schulaufsicht lösen sich schneller oder langsamer von alten Konzepten und versuchen, eine andere, neue Schule zu machen.

Kernpunkt der Reform ist die Öffnung von Schule; der lernzielorientierte Frontalunterricht weicht der Idee eines "Offenen Unterrichts". Einige Schulen sind sofort dabei, sehen Schule als Lern- und Lebensraum der Kinder, nutzen die ihnen jetzt durch unverbindlicher formulierte Lehrpläne anvertraute Freiheit und entwickeln engagiert eigene Schulprogramme. Andere Schulen sind schwerfälliger, halten die neuen Methoden entweder für eine wieder vorbeigehende "Masche" wie seinerzeit die Mengenlehre oder aber "haben es ja immer schon so gemacht".

Was herauskommt ist eine Praxis Offenen Unterrichts, die verschiedener nicht sein könnte. Dem Offenen Unterricht vorangestellte Unterrichtsmethoden wie Freiarbeit, Wochenplan und Projektunterricht werden -da indirekt vorgeschrieben - mittlerweile formal von den meisten Lehrern bzw. Schulen praktiziert. Beleuchtet man aber das, was dort im Unterricht passiert, so ist von einem "offenen" Unterricht oft nichts zu spüren: Freiarbeit pendelt zwischen Laisser-faire und strengen Vorgaben hin und her und der Wochenplan ist die Zusammenfassung aller vorher einzeln ausgegebenen Arbeitsblätter anstelle einer auf das einzelne Kind abgestimmten Arbeitshilfe zum selbständigen Lernen. Projektunterricht in Reinform weicht "Alibi-Projektwochen", die meist komplett von den Lehrern vorgegeben werden und in themenzentrierten Unterrichtsreihen oder "Hobbyprogrammen" mit anschließender Ergebnisausstellung zur "Schulpromotion" enden.

Wer dabei auf der Strecke bleibt, sind Kind und Reform. Beim "Vorschreiben" freien Arbeitens durch die Richtlinien hat man nicht bedacht, dass das mit der Praktizierung freier Lernformen einhergehende Vertrauen in das selbständige Lernen der Kinder bei vielen Lehrpersonen so nicht vorhanden ist. Die Folge ist klar: Man überträgt die neuen Begriffe auf die alte Praxis - die Begriffe verwaschen. Die Utopie eines Offenen Unterrichts ist - nach einem missglückten Start Anfang der siebziger Jahre- durch aktuelle Konzepte wie "Lesen durch Schreiben", "Mathe 2000" und Werkstattunterricht zwar nun scheinbar wieder hoffähig geworden, hat sich im Prinzip aber selbst verloren und stellt nur noch die blasse Kontur des ursprünglichen Ideals dar:

selbständige Kinder arbeiten intensiv und mit Spaß an eigenen Aufgaben, gestalten sich ihre Schule und ihren Unterricht gemeinsam selber.

Besinnt man sich wieder auf dieses Ideal, so wird der Missbrauch der oben angesprochenen freien Unterrichtsformen offenbar. Das Vertrauen in die Kinder lässt keine Kompromisse zu. Der Lehrer muss die Schüler vom ersten Tag an wirklich selbständig arbeiten lassen. Er muss sie als Individuen sehen und annehmen. Er muss ihnen als Ansprechpartner zur Verfügung stehen, darf dabei aber nicht ihre Selbständigkeit einschränken.

So verstandener Offener Unterricht zeigt die Ziele von Freiarbeit, Wochenplan und Projektunterricht wieder anschaulich und fasst die Arbeitsformen im Endeffekt auch wieder zusammen: Freiarbeit ist die individuelle Beschäftigung mit selbstausgesuchten Themen und kreativen, eben nicht rein reproduktiven Materialien, Wochenplan die individuelle Organisationshilfe, die sich der einzelne Schüler selbst zusammenstellt und Projektunterricht das gemeinsam geplante Angehen eines zusammen ausgesuchten Themas.

Dabei muss nicht jede Stunde Unterricht in der Schule Offener Unterricht sein, aber dieser muss immer die Ausgangsbasis darstellen. Das Vertrauen des Lehrers in die Schüler muss bei jedem Fach und jeder Methode ehrlich und für die Kinder offensichtlich sein. Halte ich als Lehrer einen großen Teil "Informationsunterricht" für notwendig, so müssen diese Phasen aus dem Unterricht situativ begründbar sein und so für den Schüler transparent sein. Nur so kann eine innere Lernbereitschaft entstehen; man muss wissen, wofür man etwas lernt.

Läuft der lehrerzentrierte Unterricht nicht nach diesem Grundsatz ab, so können die offeneren Phasen nur ein nicht ernst gemeintes Alibi zur "Richtlinienverwirklichung" darstellen, denn pädagogisch ist dieser harte Wechsel des "Erziehungsstils" nicht zu rechtfertigen, da sich die Schüler notgedrungen in einer aussichtslosen Doppelbindungssituation befinden: Einerseits größtmögliche Anpassung an den vorgegebenen Stoff, den Lernweg, an Zeit und Raum, andererseits kreatives Entdecken und selbständiger Wissenserwerb auf individuellem Weg. Diesen Widerspruch zu überwinden, das können nur die intelligentesten und anpassungsfähigsten Kinder schaffen.

Schön wäre es, wenn wieder viele Lehrer Vertrauen in die ihnen anvertrauten Kinder und ihr Lernen fassen und ihre Zeit nicht mit "Motivationstricks" und "Überdifferenzierung" verschenken würden, ihre Arbeitsmittelsammlungen auf ein paar wirklich wertvolle, kreativitätsfördernde, zum Selber-Entdecken und Selber-Denken anregende Materialien reduzieren würden (z.B. nur weiße Blätter und Sachbücher) und so den Kindern die Chance gäben, dem schulischen Konsum zu entgehen und einmal wirklich selbst arbeiten zu dürfen.

Und dies ganz, ganz konsequent und mit einem hohen Ideal!"

http://offener-unterricht.net/ou/start-offu.php?action=selbler
http://offener-unterricht.net/